Slow Food wird gehört! - von Dr. Rupert Ebner

Slow Food arbeitet an einem Ernährungssystem, das allen zugutekommt – mit Biodiversität (Arche des Geschmacks) und Bildungsaufträgen (Slowpedia, Green Spoons, Vermeidung von Lebensmittelverschwendung). Wir werden gehört – auch von Unternehmen. Bleibt die Herausforderung: Wie stärken wir interne Wandeltreiber, ohne Greenwashing Vorschub zu leisten? Lasst uns darüber sprechen – für mehr Genuss, Verantwortung und Zukunftsfähigkeit.

"Jeder, der für Nachhaltigkeit kämpft, verdient Unterstützung."

Immer wieder, besonders zum Jahresende, wenn die Intensität des Tagesgeschäfts langsam nachlässt, frage ich mich, was die übergeordneten Ziele unserer Bewegung sind – und was wir in diesem Jahr getan haben, um ihnen näherzukommen. Slow Food Deutschland will gemeinsam mit Freundinnen und Freunden auf allen Kontinenten ein zukunftsfähiges, genussvolles Ernährungssystem gestalten – eines, das allen Menschen gesunde und schmackhafte Mahlzeiten ermöglicht, ohne unsere Lebensgrundlagen zu zerstören. Bei über 800 Millionen hungernden Menschen ist das ein ehrgeiziges Ziel. Slow Food verfolgt dabei einen ganzheitlichen Ansatz. Im Mittelpunkt steht der Erhalt der Biodiversität. Ein Beispiel dafür ist die »Arche des Geschmack« der Slow Food Stiftung ETS : Mit über 6 600 Arche Passagieren weltweit bewahrt sie traditionelle und bedrohte Lebensmittel. In Ländern wie Mexiko, den Philippinen oder der Türkei werden derzeit neue Passagiere aufgenommen – oft durch die Initiative indigener Gemeinschaften. Das zeigt, wie universell unser Ansatz ist und wie visionär die Idee des weltweiten Netzwerks »Terra Madre« war und bleibt.

Ebenso zentral ist unser Bildungsauftrag. In diesem Bereich konnten wir auch im Jahr 2025 wichtige Erfolge erzielen: Unsere Wissensplattform »Slowpedia« wird an vielen Schulen genutzt. Das Projekt »Green Spoons« begeistert Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler für eine biodiverse, umweltbewusste Ernährung. Und unsere Projekte zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung – etwa das »Dialogforum private Haushalte 2.0« mit seinem digitalen Küchentagebuch oder die beliebten Schnippeldiskos – leisten darüber hinaus wichtige Bildungsarbeit. Bereits 2012 brachte Slow Food Deutschland mit »Zu gut für die Tonne« das Thema in die gesellschaftliche Debatte. Möglich ist unsere Bildungsarbeit dank öffentlicher Förderungen, eines engagierten Teams in unserer Geschäftsstelle und vor allem durch das große ehrenamtliche Engagement unserer Mitglieder und der Leitungsteams der Convivien.

Unser Einsatz findet Anerkennung – in Ministerien, Behörden, Politik und bei Partnerorganisationen. Eine zunehmende Zahl an Einladungen zu Veranstaltungen oder Tagungen zeigt: Slow Food wird gehört. Selbst große Handelsunternehmen suchen den Austausch – meist über ihre Nachhaltigkeitsverantwortlichen. Oft sind wir uns einig, wo die Probleme unseres Ernährungssystems liegen. Manche schaffen es sogar, in ihren Unternehmen Veränderungen anzustoßen, die unseren Vorstellungen entsprechen. Häufig stoßen sie dabei jedoch auf den Widerstand von Kolleginnen und Kollegen, die nur ihre Rentabilitätscharts im Auge haben. Bei einem dieser Gespräche traf ich einen Manager, der sehr betroffen war: Eine mit uns befreundete NGO, von der er glaubte, in einem vertrauensvollen Austausch zu stehen, hatte ein Produkt seines Unternehmens öffentlich heftig kritisiert. Hier wurde mir ein Dilemma bewusst, das mich bis heute beschäftigt. Schon in meiner Zeit als Umweltreferent der Stadt Ingolstadt habe ich erlebt, wie schwierig es ist, Wandel von innen zu bewirken. Damals ging es um E-Mobilität: Diejenigen, die bei der AUDI AG dafür plädierten, wurden von der »Verbrenner-Gruppe« nur belächelt.

Karriere im Unternehmen machte aus dieser Gruppe niemand: Die meisten verließen mehr oder weniger frustriert das Unternehmen.

Ich bin überzeugt: Menschen, die im Unternehmen für Nachhaltigkeit kämpfen, verdienen Unterstützung. Ein paar anerkennende Worte, öffentlich ausgesprochen, könnten ihre Position stärken. Doch wie tun wir das, ohne uns dem Vorwurf auszusetzen, Unternehmen, deren Politik wir in weiten Teilen nicht billigen, beim Greenwashing zu helfen? Darauf habe ich noch keine abschließende Antwort. Aber vielleicht kann diese Überlegung eine Diskussion anstoßen: Darüber, wie wir den Wandel hin zu einem zukunftsfähigen Ernährungssystem fördern können – auch mit Verbündeten, die wir zunächst nicht auf unserer Seite vermuten.


Text: Von Dr. Rupert Ebner, Vorsitzender von Slow Food Deutschland

Quelle: Erschienen im Slow Food Magazin 06/2025

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