Solidarität ist das Gebot der Stunde! - von Dorothee Baldenhofer

Viele reiche Länder haben die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe drastisch gekürzt, auch Deutschland. Stattdessen fl ießt viel Geld in die Verteidigung. Dorothee Baldenhofer vom Dachverband der zivilgesellschaftlichen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe (VENRO) fordert einen sofortigen Paradigmenwechsel der internationalen Politik.

»Die Folgen der Sparpolitik sind nicht abstrakt. Sie betreffen das Leben von Menschen ganz direkt.«

Weltweit verschärfen sich Krisen: Kriege und Klimakatastrophen bedrohen das Leben von Millionen Menschen. Jeder zwölfte Mensch leidet Hunger. Ausgerechnet in dieser dramatischen Lage ziehen sich viele reiche Länder aus der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe zurück. Auch Deutschland kürzt seit Jahren massiv, während gleichzeitig immer mehr Geld in die Verteidigung fließt. Im Entwurf zum Bundeshaushalt 2026 macht dieser Posten ein Fünftel der Gesamtausgaben aus. Dagegen sind die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit seit 2022 um mehr als 16 Prozent gesunken, die Mittel für humanitäre Hilfe sogar um zwei Drittel. Mit ihrem Haushaltsentwurf für 2026 setzt die Bundesregierung diesen fatalen Kurs fort – eine Abkehr von internationaler Solidarität.

Die Folgen dieser Politik sind nicht abstrakt, sondern betreffen das Leben von Menschen ganz direkt. Unsere Mitglieder, die weltweit in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sind und humanitäre Hilfe leisten, berichten, dass sie Projekte zur Armutsbekämpfung, zur medizinischen Versorgung von Frauen und Kindern oder zur Förderung von Menschenrechten vielerorts nicht mehr weiterführen oder gar nicht erst starten können.

Besonders hart treffen die Kürzungen die humanitäre Hilfe, und dies, obwohl der Bedarf von Jahr zu Jahr wächst. Allein im Sudan sind fast 25 Millionen Menschen auf Lieferungen von Lebensmitteln und sauberem Trinkwasser angewiesen. In der Demokratischen Republik Kongo leben mehr als sieben Millionen Binnenvertriebene ohne ausreichende Grundversorgung. Jeder gekürzte Euro verringert die Überlebenschancen von Menschen in Krisengebieten.

Doch nicht nur Deutschland spart auf Kosten der Ärmsten – auch andere europäische Länder machen Abstriche bei der internationalen Zusammenarbeit. Die Zerschlagung der US-Entwicklungsbehörde USAID ist dabei wohl das eklatanteste Beispiel. Ihr Wegfall hat eine Lücke hinterlassen, die bis heute nicht geschlossen ist. Zahlreiche Projekte zur Ernährungssicherung, zur HIV/AIDS-Bekämpfung, für bessere Bildungschancen und für Demokratie liegen seitdem brach. Dabei haben zivilgesellschaftliche Organisationen nicht nur mit Mittelkürzungen zu kämpfen. In immer mehr Ländern gerät ihre Arbeit durch repressive Gesetze und diffamierende Narrative zusätzlich unter Druck – oft gerade dort, wo sie die letzte Stimme für Demokratie und Menschenrechte sind.

All das zeigt: Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der internationalen Politik. Sicherheit darf nicht länger militärisch gedacht werden, sondern muss die Sicherheit der Menschen in den Mittelpunkt stellen – ihr Recht auf Nahrung, auf Gesundheit und auf ein Leben in Würde. Internationale Solidarität ist kein Luxus, sondern eine Überlebensfrage.

Wer jetzt spart, riskiert, dass die Krisen weiter eskalieren und noch mehr Menschen sterben. Die Bundesregierung sollte ihre Haushaltspläne dringend überdenken, zusätzliche Mittel bereitstellen und eine langfristige Strategie zur Armutsbekämpfung und Krisenprävention entwickeln. Eine vorausschauende, bedarfsorientierte Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe ist nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit – sie ist essenziell für eine friedlichere und gerechtere Zukunft für uns alle.

Dorothee Baldenhofer ist Referentin im Bereich »Stärkung der Zivilgesellschaft« bei VENRO, dem Dachverband der zivilgesellschaftlichen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe.

–> www.venro.org


Erschienen im Slow Food Magazin 06/2025

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