Weinlese 2025: Die Tag-und-Nacht-Turbolese
Bereits Anfang Oktober war die turbulente Weinlese 2025 in den meisten deutschen Anbaugebieten komplett beendet. Der große Stressfaktor in diesem Jahr: Die Trauben unterschiedlichster Rebsorten waren an Rhein, Main; Mosel und Neckar fast alle gleichzeitig reif. Ein ungewöhnliches Phänomen, das in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Da war Tempo gefragt, da kam mancherorts schon Panik auf, zumal in der zweiten Septemberhälfte in manchen Regionen heftiger Regen fiel. Am Ende hielten sich die Probleme mit aufkommender Fäulnis aber noch in Grenzen. Der Jahrgang verspricht gute und teilweise herausragende Qualitäten bei insgesamt leicht reduzierter Erntemenge.
In Nierstein, im Herzen Rheinhessens, hat die Lese beim Weingut Georg Gustav Huff am berühmten Roten Hang gerade zweieinhalb Wochen gedauert. Sie hatte am 2. September begonnen, es war die früheste Weinlese in diesem Betrieb seit seinem Bestehen. Andere Weingüter in Württemberg oder in der Pfalz hatten sogar schon Ende August die ersten Trauben für die Sekt-Produktion geholt. In der ersten und zweiten Septemberwoche ging es dann Schlag auf Schlag „Es musste dieses Jahr sehr schnell gehen, deshalb haben wir einige Lagen nachts mit dem Vollernter gelesen“, sagt Helen Huff. Auch in anderen Anbaugebieten wie etwa in Franken sah man nachts die Lichtkegel der Vollernter in den Weinbergen. „Wir wussten: Jetzt kommt der Regen und immer mehr Regen“, sagt der Winzer und fränkische Weinbaupräsident Artur Steinmann. Der große Regen fiel dann zwischen dem 21. und 25. September – in Rheinhessen waren es bis zu 80 Liter je Quadratmeter. Da hatten die meisten Weingüter den größten Teil der Trauben zum Glück schon im Keller, aber eben nicht alles. Nach den schweren Niederschlägen kroch die Fäulnis unters Blätterdach, dann wurde erst recht aufs Tempo gedrückt.
Bild: „Schwarz wie die Nacht“ - Weinlese von Spätburgunder-Trauben beim Weingut Gröhl im rheinhessischen Weinolsheim ©Deutsches Weininstitut
Bilderbuch-Trauben bis Ende August
Im Jahreslauf waren die Regenmengen dieses Jahr unterschiedlich verteilt. In Teilen der Pfalz herrschte Trockenheit, auch am oberen Kaiserstuhl waren einige Hänge ausgedörrt, während wenige Kilometer weiter das Weingut Schneider in Endingen an der Grenze zum Elsass eine gute und regelmäßige Wasserversorgung hatte und „wunderbare Trauben“ (Cornelia Schneider) ernten konnte. Der Juni war extrem heiß und trocken gewesen, da wurde von den Winzern um Regen gebettelt. Den brachte dann ein kalter und nasser Juli, bevor im August wieder die Sonne regierte und eine sechswöchige Schönwetter-Periode einleitete, die die Reifung der Trauben enorm beschleunigte.
Im Rotweingebiet der Ahr hingen noch bis in den tiefen August „Bilderbuchtrauben“ an den Stöcken, so Biowinzer Christoph Bäcker. Die Ernüchterung brachte der feuchte September. „Unterm Strich sind wir zufrieden, auch wenn uns der Regen einige Spitzen genommen hat“. Die Farbausbeute sei dieses Jahr besonders gut an der Ahr, „die Trauben sind schwarz wie die Nacht“, sagt Bäcker.
In Sachsen, hart am 51. Breitengrad, wird üblicherweise später gelesen. Dort brachte der Jahrgang für Biowinzer Klaus Zimmerling ein Happyend. Im Vorjahr hatten zuerst Frost, dann Hagel und zuletzt eine Waschbären-Invasion für eine Nullnummer gesorgt, Zimmerling erntete 2024 so gut wie nichts. In diesem Jahr „hängt ordentlich was dran“, sagt er. Anfang Oktober waren zwei Drittel der Trauben gelesen bei „super Qualitäten“, so Zimmerling, als ob die Rebstöcke die Vorjahres-Katastrophe wieder gutmachen wollten.
Top-Qualitäten beim Lemberger
Große Beeren und ein schöner Ertrag bei den Sachsen-Winzern an der Elbe. Trockenstress, kleine Beeren und eine um 30 Prozent kleinere Ernte bei dem von Slow Food in die Slow-Wein-Liste aufgenommenen Weingut Eymann in der Pfalz. Als dort im September nach längeren Trockenperioden der Regen kam, „da waren wir schon fertig“, sagt Ingeborg Eymann. Trotz des nassen Julis – „der hat uns gerettet“, sei es im Jahreslauf viel zu trocken gewesen. Immerhin: Die Qualität stimmt, „das gibt Superweine“, so Eymann.
Biowinzer Rainer Schnaitmann im württembergischen Remstal konnte kaum genug Erntehelfer rekrutieren, um die gleichzeitig reifen Trauben alle rechtzeitig zu lesen. Schon am 26. August hatte bei Schnaitmann die dreieinhalbwöchige, enorm stressige Handlese begonnen. Schnaitmann ist stolz auf sein Leseteam, das ausschließlich aus der heimischen Region kommt. Seine Bilanz: ein gutes Jahr, schöne Aromatik, beim Lemberger womöglich ein Spitzenjahrgang. Und beim Pflanzenschutz ein extrem entspanntes Jahr ohne großen Krankheitsdruck.
Und die Mosel? Dort lief in der ersten Oktober-Woche der Lese-Endspurt, der größte Teil der sonst eher spät gelesenen Riesling-Trauben war bereits von der Kelter gelaufen. Topwinzer Christopher Loewen vom Weingut Carl Loewen berichtet von der intensivsten, kürzesten und schnellsten Lese seit vielen Jahren. Sie hatte in seinem Betrieb am 27. September begonnen und war schon am 7. Oktober beendet. Bis dahin habe die Lesemannschaft vom frühen Morgen bis zum späten Abend mit maximaler Schlagkraft gearbeitet. Jetzt liegen die Riesling-Moste mit „begeisternder Aromatik“ im Keller. „Wir hatten kerngesunde Trauben“, sagt Loewen und nach den Frostverlusten des Vorjahres „endlich wieder eine normale Menge“.
Bild: Weinlese mit Krönchen - die badische Weinkönigin Tina Glur beim Fotoshooting in Staufen, wo schon am 19. August die ersten Trauben für den Federweißer gelesen wurden ©Deutsches Weininstitut
Drohnen im Weinberg
Drohnen fliegen nicht nur über den Flughäfen, wo sie für Angst und Schrecken sorgen. Sie werden auch in den Weinbergen zum Pflanzenschutz eingesetzt. Auch beim Biowinzer Rainer Schnaitmann im Remstal sind dieses Jahr Drohnen geflogen. Bei voller Laubwand seien die Drohnenspritzungen allerdings nicht wirksam genug, sagt er. Aus der Flughöhe von zwei bis drei Metern werden die Blattunterseiten und die Traubenzone nicht erreicht. Im Frühjahr, bei den ersten Spritzungen, wenn noch wenig Laub am Stock grünt, mache der Drohneneinsatz schon eher Sinn, bilanziert Schnaitmann. Inzwischen sind die fliegenden Helfer in vielen Anbaugebieten im Einsatz. Vor allem in schwer zugänglichem Gelände können sie die Arbeit erleichtern. Im Vergleich zu Traktoren oder Hubschraubern, die zum Beispiel an der Mosel ebenfalls für den Pflanzenschutz eingesetzt werden, sind sie ökologisch die bessere Wahl mit deutlich geringerem Energieverbrauch. Drohnen fliegen zudem auch bei nassem Wetter, wenn sich Pilzkrankheiten ausbreiten. Dann können Traktoren in den rutschigen Steillagen nicht mehr fahren.
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Text: Manfred Kriener
Bilder: Deutsches Weininstitut
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Weitere Informationen:
Slow Food Rebstockpatenschaften
Slow Food Magazin 06 - 2023: Genuss-Schwerpunkt Slow Wein & Sekt