Westerwälder Fuchsweizen

Anspruchsloser und widerstandsfähiger Winterweizen

Archepassagier seit 2023

Unterstützt vom Convivium Rhein-Mosel

Beschreibung des Passagiers

Der „Westerwälder Fuchsweizen“ (Triticum aestivum L.) ist eine alte eigenständige Winter-Weizensorte, die vermutlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch ertragreichere Weizensorten verdrängt wurde und in Vergessenheit geriet. Der Anbau der Sorte im Südwesten Deutschlands wurde bereits für das Jahr 1820 beschrieben. Das Hauptanbaugebiet war zu dieser Zeit unter anderem der Westerwald und das Gebiet der Wetterau, die Sorte wurde den Landwirt*innen als vorzüglicher Winterweizen bestens empfohlen.

Saatmaßnahmen und Mähdruscheignung sowie Lagerung sind getreideüblich. Die Aussaat erfolgt Mitte/Ende Oktober mit 300-400 Körnern pro Quadratmeter. Der Erntezeitpunkt ist in der Regel Ende Juli/Anfang August.

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Westerwälder Fuchsweizen ist winterfest und langstrohig (Wuchshöhe 1,20m), die begrannte Ähre färbt sich zum Zeitpunkt der Reife rot-braun. Er bildet ein großes Korn mit einem schönen Mehlkörper aus, das Korn ist härter als bei modernen Weizensorten. Das Tausendkorngewicht liegt durchschnittlich bei 37g, und der Ertrag bei ca. 15-25 dt/ha (Hochzuchtweizen ist 2-3x ertragreicher). Die Mähdruscheignung ist gut, da er sehr gut freidreschend ist (ohne Spelzen).

Charakteristisch für die Sorte ist auch die Widerstandsfähigkeit gegenüber Steinbrand und anderen Pilzkrankheiten. Darüber hinaus ist der Stickstoffbedarf des Westerwälder Fuchsweizen auffallend gering. Einschließlich des pflanzenverfügbaren Stickstoffs im Boden kommt die Sorte mit ca. 50kg N/ha zurecht. Der Stickstoffbedarf moderner Hochertragssorten ist dreimal so hoch. Wird dem Westerwälder Fuchsweizen mehr Stickstoff zugeführt, kommt es zum Halmbruch. Auf den Einsatz von mineralischem oder organischem Stickstoffdünger muss daher verzichtet werden. Eine potentielle Auswaschung des Stickstoffdüngers als Nitrat und eine damit verbundene Grundwassergefährdung wird so vermieden.

Der Westerwälder Fuchsweizen bereichert mit seinen beschriebenen Eigenschaften die Fruchtfolge. Durch den geringen Stickstoffbedarf entfallen die üblichen Düngemaßnahmen. Aufgrund seiner Widerstandskraft kann der Pflanzenschutz reduziert werden.

Die Sorte bildet viel Blattmasse und Stroh. Dadurch werden unerwünschte Beikräuter wie Ampfer oder Disteln im Frühling gut unterdrückt. Da die Sorte dünner steht und weniger Ähren pro Quadratmeter ausbildet als moderne Hochertragssorten, finden kleinwüchsige Beikräuter ihre Nische. Fällt mit der beginnenden Reife mehr Licht auf den Boden, kommen Ackerwildkräuter wie Vergissmeinnicht, Ackerfrauenmantel oder Mäuseschwänzchen zum Blühen und können Insekten als Nahrungsquelle dienen. Die Sorte eignet sich daher sehr gut für eine ökologische Wirtschaftsweise oder für Vertragsnaturschutzprogramme zur Förderung von Ackerwildkräutern. Das lange Stroh speichert zudem viel Wasser, das bei Dürrephasen genutzt werden kann.

Des Weiteren hinterlässt die Sorte hohe Stroh- und Wurzelrückstände, die zum Humusaufbau und besserer Bodengare genutzt werden können. Ein Teil des Kohlenstoffs, den die Weizenpflanze als CO² aufnimmt und in die Strohmasse einlagert, kann so dem Boden zugeführt und darin in Form von organischer Masse gespeichert werden (Nutzung der humosen Ackerkrume als Kohlenstoffsenke).

Gefährdung des Passagiers

Nachdem der Westerwälder Fuchsweizen ca. 100 Jahre von den Feldern verschwunden war, wurde er seit 2012 durch Andreas Esch aus Salmtal wieder vermehrt. Grundlage war eine Saatgutprobe aus der Genbank Gatersleben mit wenigen Gramm. In den ersten beiden Jahren fanden die Aussaat, Voranzucht und Ernte per Hand statt. Im dritten Jahr wurden die geschnittenen Garben mit einer alten Dreschmaschine ausgedroschen. Für die Ernte 2015 wurde ein alter Mähdrescher (Fahr M44) angeschafft, der bis heute zur sortenreinen Beerntung verwendet wird.

Der Westerwälder Fuchsweizen ist in die „Rote Liste der gefährdeten einheimischen Nutzpflanzen“ aufgenommen und wurde im Jahr 2020 beim Bundessortenamt als Erhaltungssorte angemeldet. Unter dieser Voraussetzung kann Saatgut an interessierte Landwirt*innen abgegeben werden; im Jahr 2023 bauten insgesamt 24 Bäuerinnen und Bauern auf ca. 30ha Westerwälder Fuchsweizen an. Die Anbauflächen befinden sich verteilt in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg (Rheinstetten/Durmersheim und Bad Mergentheim). Unterstützt und beworben wurde der Anbau bisher vom Dienstleistungszentrum ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück über die Initiative „Biodiversität – Förderung historischer Nutzpflanzen“.

Vermarktung des Passagiers

Für eine erfolgreiche Vermarktung und größere Wiedererkennung wurde ein Fuchsweizen-Logo geschaffen (Fuchs/Ährenemblem mit dem Schriftzug Fuchsweizen), das jeder, der Produkte aus Westerwälder Fuchsweizen vertreibt, verwenden soll. Ein kleiner Beitrag im SWR-Fernsehen über den Westerwälder Fuchsweizen hat viele Menschen erreicht, die ihr Brot selbst backen. Einige erzeuger*innen können bereits einen Teil ihrer Ernte durch Hofläden direkt an Verbraucher*innen verkaufen.

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Um größere Flächen anbauen und vermarkten zu können, werden nun Bäckereien als Abnehmer gesucht. Durch die Vermarktungsgesellschaft von Bioland „Die Kornbauern“ ist es gelungen, die komplette Erntemenge von zwei Tonnen eines Betriebes aus der Eifel zu Mehl Typ 550, Vollkornmehl und Gries zu vermahlen. Damit führten mehrere Bäckereien Backversuche durch und planen ab der Ernte 2023, dauerhaft Backwaren mit Westerwälder Fuchsweizen zu erzeugen und in ihrem Sortiment zu etablieren.

Ein weiteres geplantes Projekt ist die Vermälzung und Herstellung eines regionalen Fuchsweizen-Weizenbieres zusammen mit einer kleinen regionalen Brauerei in der Eifel.

Regionale Bedeutung des Passagiers

Die Ansprüche des Westerwälder Fuchsweizen an Klima und Anbau sind insgesamt niedriger als bei modernen Weizensorten. Er ist noch immer gut an den Standort Westerwald angepasst. Die Anbauerfahrung zeigen auch, dass er Extremwetterereignisse als Folge des Klimawandels gut übersteht.

Neben Privatleuten sollen handwerkliche Bäckereien in der Region als Abnehmer gewonnen werden, Ziel ist es, bei Verbraucher*innen ein Bewusstsein für die Rettung dieser alten Weizensorte zu schaffen. Durch das Motto „Vielfalt schaffen und erhalten durch bewussten Konsum“ soll der Erhalt dieser genetischen Ressource und des regionalen Kulturerbes gefördert werden. Im Jahr 2022 wurde durch den Brotverein in Weyerbusch ein Backfest mit Brot aus Westerwälder Fuchsweizen veranstaltet.

Geschmack des Passagiers

Das Mehl lässt sich gut in Hefeteig, aber auch zusammen mit Roggen in Sauerteig verarbeiten. Das Brot aus Westerwälder Fuchsweizen hat eine schöne, rösche Kruste und gleichzeitig lockere Krume, es ist saftig und der Geschmack nussig-kräftig. Typisch für die alte Sorte ist die geringere Wasseraufnahme und ein schnelleres Überkneten des Teiges, d.h. eine Verschlechterung der Backeigenschaften bei zu langem Kneten. Die verarbeitenden Bäcker*innen sollten daher handwerklich mit langer Teigführung arbeiten.

Auch eine Verarbeitung zu Gebäck und Kuchen ist möglich.

Seit 2017 werden jährlich ausführliche Backanalysen im Labor Aberham in Oberaitingen durchgeführt, die die gute Backfähigkeit dieser Sorte belegen.

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Züchter*innen, Erzeuger*innen und Bezugsquellen

Erhaltungszüchter:

Andreas Esch

Vor den Gruben 65

54528 Salmtal

Tel: (01 74) 9 98 82 30

Email: AndreasEsch@gmx.de

 

Bezugsquellen Backwaren:

Bäckerei Johann Utters & Sohn

Inh. Josef Utters e.K.

Hauptstraße 6

54552 Dockweiler

Telefon: (0 65 95) 9 20 60

E-Mail: mehlbox@brotkunst.de

 

Traditions-Bäckerei Süss -Backstuff Tobias Ehses

Trierer Str. 38

54421 Reinsfeld

Tel.: (0 65 03) 71 16

Links und Aktivitäten rund um den Passagier

>>Slow Food Magazin: Getreidesorten Passagiere

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