Lebensmittelqualität: Hackbraten à la Julia Klöckner

06.05.2020 - Mit einem desaströsen Auftritt im Kochstudio lässt sich die Bundeslandwirtschaftsministerin für die Supermarktkette „Kaufland“ einspannen, scheinbar unwissentlich. Ein Kommentar.

Hackfleisch (c) pexels.jpgDie Landwirtschafts- und Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) steht gut gelaunt im Kochstudio, Schulter an Schulter mit Fernseh-Koch Johann Lafer. Gesponsert wird der Auftritt von Kaufland. Die Bluse der Ministerin ist bestens auf die Farbe des Kaufland-Logos abgestimmt. Schön Ton in Ton. Das gemeinsame Kochen ist nicht nur von Kaufland gesponstert, es ist auch Teil einer Werbekampagne der Bild-Zeitung. Das leckere Gericht wird aus eingeschweißtem Billig-Hackfleisch der niedrigsten Tierwohl-Haltungsstufe zubereitet. Die Zuschauer*innen durften zusehen, wie Lafer das Fleisch aus dem Supermarktregal fischte. Am Herd steht das Kochduo in Tuchfühlung: ohne Maskenschutz und Mindestabstand.

Gleich viermal voll daneben. Das Ministerium vermeldet, es habe von allem nichts gewusst. Klöckner wusste nicht, dass sie für eine Supermarktkette und ein Boulevardblatt in die Kamera lächelt? Dass sie Billigfleisch aus der untersten Schublade in der Pfanne brät? Dass wegen Corona Distanz zu halten ist? Die vermeintliche Unwissenheit lässt Interpretationsspielraum - auch dafür, dass all das Ministerin Klöckner schlichtweg nicht ausreichend interessiert.

Einsatz für Tierwohl? Fehlanzeige!

Der Auftritt war nicht nur ein Faux-Pas und erneuter „Ausrutscher der Fettnäppfchen-Queen“, wie vereinzelt kommentiert wurde. Nein, das war ein vollkommen desaströser, aber auch sehr typischer Auftritt der Ministerin. Er entlarvt ihre Kampagnen und ihren „Einsatz“ für Lebensmittelqualität, Tierwohl und bessere Haltungsbedingungen als das was sie schon immer waren: Reine Alibiveranstaltungen einer Lobbyistin.

„Wir wollen wissen, woher unsere Produkte kommen“, pflegt die Ministerin gern zu proklamieren. Will sie es wirklich wissen? Warum haut sie dann anonymes Hackfleisch in die Pfanne, das alle Sünden auf einmal vereinigt: Schlechte Haltungsbedingungen der geschlachteten Tiere, schlechte Plastikverpackung fürs Fleisch, irreführendes Design der Kaufland-Marke Purland, die mit ihrem grünem Outfit offensichtlich versucht, die Biomarke Naturland zu imitieren und so die Kundschaft zu täuschen.

Man fragt sich, was eigentlich peinlicher und gravierender ist: Dass die Ministerin wirklich nichts gewusst hat, weil sie nicht prüfen lässt, welcher Konzern sie da als Maskottchen an den Herd stellt und welche Produkte sie verarbeiten soll? Oder dass sie es vielleicht doch gewusst und toleriert hat, weil sie Kaufland und Bild und Billigfleisch und den Herrn Lafer ganz okay findet? Dass Klöckner sich durchaus gerne mit den Wirtschaftsriesen zeigt, passiert nicht zum ersten Mal. Schon ihr Tête-a-tête mit dem Deutschland-Chef des Lebensmittel-Konzerns Nestlé war skandalös. Wie Romeo und Julia standen die beiden nebeneinander, um wechselseitige Artigkeiten auszutauschen. Freudig hatte Klöckner dem Nestlé-Mann zugeflötet, wie toll es sei, dass der Big Player der Lebensmittelindustrie die Kampagnen des Ministeriums unterstütze. Der große Junkfood-Produzent Nestlé als Partner des Ministeriums?

Vorbildhaft ist das nicht

Klöckner gilt den NGOs schon lange als Fehlbesetzung. Mit ihrem jüngsten Auftritt hat sie dieses Urteil eindrucksvoll bestätigt. Die Slow-Food-Vorsitzende Ursula Hudson erinnert die Ministerin an ihre Verantwortung: „Wer einen solch ignoranten öffentlichen Auftritt hinlegt, setzt seine Glaubwürdigkeit fahrlässig aufs Spiel. Qualitative Mindeststandards bei der Auswahl von Lebensmitteln einzuhalten ist das Mindeste. Wie will sie die Verbraucher*innen davon überzeugen, wenn sie es selbst nicht tut? Das war ein Persilschein für kulinarisches Fehlverhalten.“ Die von Klöckner beabsichtigten Tipps einer ausgewogenen Ernährung für den kleinen Geldbeutel hält Hudson für scheinheilig: „Frau Klöckner fehlt offensichtlich der Mut zu sagen, dass ein 3-Gang-Menü für 25 Euro mit tierischen Erzeugnissen wie Fleisch und Ei aus artgerechter Haltung schlichtweg nicht möglich ist. Die Debatte zu führen und überzeugende Alternativen aufzuzeigen, ist offenbar nicht populär. Dabei wäre genau das fortschrittlich, zukunftsweisend im Sinne einer vernünftigen Ernährung für Mensch, Tier, Umwelt und Klima.“ 

Bleibt die Frage, wann wir die Ministerin das nächste Mal bei öffentlichen Auftritten erleben dürfen? An Bord eines industriellen Fischtrawlers vor der Küste Afrikas? Oder beim Kükenschreddern in der Geflügelindustrie, wie jetzt ein Twitter-User vorschlug.

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Der Einkauf ist hier im Video mit zu sehen:

https://www.bild.de/ratgeber/2020/ratgeber/exklusiv-bei-bild-johann-lafer-kocht-3-gang-menue-fuer-25-euro-70348028.bild.html

Zur Aufzeichnung der Kochshow auf dem Bild Youtube-Kanal (ein Auszug):

https://www.youtube.com/watch?v=jWhNMeYBgzo&t=150s

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