Ländliche Küche aus dem Süden Italiens 03 2019

Kochabend des Conviviums Augsburg im März 2019

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Kalabrien? Irgendwo im Süden, die italienische Stiefelspitze ausmachend, kurz vor Sizilien. Das könnte vielleicht noch im Allgemeinbildungs-Bereich hängengeblieben sein. Doch die Küche von Kalabrien? Die Weine? Nein, es ist keine Ausnahme, dass man davon nichts weiß – Kalabrien gilt unter den italienischen Provinzen als eine kulinarisch eher unscheinbare – zu Unrecht! Da hatte es die 14-köpfige Gruppe gut, dass Franko und Doris, beide „SlowFood Augsburg“-Urgesteine, seit Jahrzehnten liiert und hierzulande so verwurzelt wie mit Kalabrien verbunden, Ende März zusammen mit Marianne Wager einen Kochabend auf die Beine gestellt haben, der allen Teilnehmern in Erinnerung immer wieder auf der Zunge zergehen wird. Und vor allem: Kalabrien ist den begeisterten Teilnehmern nun kein weißer Fleck mehr auf der Genuss-Landkarte des Südens.

„Cucina povera“ gilt nicht nur in der gemüsebetonten Küche des italienischen Nordens aus Tradition als Zauberformel, die wenige aber gute Zutaten zu einem Geschmackserlebnis komponieren hilft. „Arm“ im Sinne von „aufs Wesentliche“ und „Naturbelassene“ reduziert heißt es auch auf der Zutatenliste der kalabrischen Küchenvorbereitung.

Insalata di Arance

Schon die Vorspeise „Insalata di arance“ (Orangensalat), ist an schlichter Klarheit kaum zu toppen: Große, saftig-süße Orangen, akribisch auch vom weißen Inneren befreit, werden mit milden weißen Zwiebeln sorgsam gemischt und lediglich mit etwas Petersilie, Öl und Pfeffer abgeschmeckt. Was sich hier unmöglich beschreiben lässt ist das Geschmackserlebnis dieser ungewohnten Kombination. Die ätherischen Stoffe ergänzen sich nämlich überraschend harmonisch zu etwas fruchtig Frischem, zu etwas Neuem, was durch seine Leichtigkeit vor allem auch den folgenden Gängen nicht im Wege steht.

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Pasta mit Kichererbsen

Mit eher geringen Erwartungen mag man dagegen der Kombination von Kichererbsen und Pasta entgegengehen. Umso angenehmer überrascht ist man von einem „ehrlich“ einfachen Gericht, der in Tomatensauce gezogenen und gekochten Kichern, die am Ende über die Pasta gegossen werden. Dieser voll und nahrhaft im Mund zergehende Zwischengang schmeckt eben doch überraschend frisch und eigenständig, wäre als untergeordnete Beilage viel zu schade.  Und die Pasta liefert die perfekte Grundlage für das, was da als Highlight kommen sollte.

Cima di Rapa zu Zicklein

Das zarte Fleisch eines Zickleins ist selten, am ehesten im Frühjahr zu bekommen, und auch in diesem Fall sollten „Beziehungen“ sicherstellen, dass die Qualität stimmt. Unser Zicklein war aus der Region und konnte frisch verarbeitet werden. Zusammen mit Weißwein und Thymian durfte es einen halben Tag ziehen. Nach dem Anbraten aller Zutaten, dem Ablöschen mit Wein und Brühe durften die guten Stücke über zwei Stunden bei geringer Temperatur schmoren, danach war das Fleisch von optimaler Zartheit. Auch wenn in Kalabrien, laut Doris, Fleischsaucen nicht gezielt entwickelt werden – also auch mal wässerig ausfallen können -, war die Sauce, die sich aus unserem Braten ergeben hatte von köstlicher Qualität – immerhin schmeichelten reichlich beigefügter Salbei, Rosmarin und Knoblauch im langen Kochvorgang zu einem harmonischen Ganzen verbunden, den Gaumen der Augsburger SlowFoodies. Neben einem lecker gewürzten, groben Kartoffelstampf gab es dazu gekochte „Cima di Rapa“, ein Gemüse, das mit seinen blaugrünen Blättern und Blütenknospen an eine Mischung aus Spinat und Brokkoli erinnert. Im Geschmack leicht bitter, zaubert es mit einer Mischung aus Knoblauch, Peperocini und einigen wenigen salzigen Sardellen einen pikanten Kontrapunkt zum zarten Zickleinfleisch auf die Zunge.

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Crostata con Mandorle e Ricotta

Überaus angenehm gesättigt gaben sich die schon seeligen Kochabend-Teilnehmer im „Haus der Familie“ in Stadtbergen dem immer wieder gern erlebten Wunder hin, dass für die Nachspeise am Ende doch noch erstaunlich viel Platz im schon gut gefüllten Leibe vorhanden ist. Kuhmilch ist im  heißen italienischen Süden rar, seine verarbeiteten Formen, also etwa Ricotta, sind hingegen besser verfügbar. Im „Corstata“, einem Mürbekuchen, umspielt der körnige Frischkäse die geschälten und zerkleinerten Mandeln, die mit Zitrone, Orange ein unerwartet feines Aroma ergeben. Wichtigste Bedingung für die volle Entfaltung dieses Kuchens: Lauwarm genießen.

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Josef Schmaus

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