Agrarpolitik ist Gesellschaftspolitik

Zum vierten Mal hatten Slow Food Bonn am 15. März zusammen mit dem Evangelischen Forum zu einem Diskussions- und Gesprächsabend unter dem Motto „Essen ist politisch!“ in den Kirchenpavillon an der Bonner Kreuzkirche eingeladen. Gekommen waren 30 interessierte Teilnehmer*innen,  viele von ihnen mit direkten persönlichen Anknüpfungspunkten zum Thema des Abends. Denn es sollte um Agrarpolitik als essentiellem Teil von Gesellschaftspolitik gehen. Als Gast und Referenten dieses Abends war Bernd Schmitz nach Bonn gekommen. Selbst Betriebsleiter des Demeter-zertifizierten Hanfhofs bei Hennef und zugleich stellvertretender Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), konnte er seine persönlichen Erfahrungen und Analysen mit den Perspektiven eines Berufs- und Interessenverbandes von Landwirt*innen verbinden. Schon lange gibt es zwischen der AbL, die sich als alternative bäuerliche Interessensvertretung neben dem Deutschen Bauernverband versteht, und Slow Food enge Verbindungen. So engagieren sich beide Organisationen im Netzwerk „Wir haben es satt!“, das alljährlich im Vorfeld der Grünen Woche für eine Wende in der Agrarpolitik demonstriert. Und im vergangenen Jahr wurde AbL-Bäuerin Annemarie Völling für ihren erfolgreichen Kampf gegen die Vermarktung gentechnisch veränderter Lebensmittel mit dem Ursula-Hudson-Preis von Slow Food ausgezeichnet.

AgrarpolitikSchmitz knüpfte in seinem Vortrag  an die teils gewalttätigen Protesten an, mit denen Bauern und Bäuerinnen in den letzten Wochen Schlagzeilen gemacht hatten. Für ihn war dieser Protest gegen Subventionskürzungen bei  KFZ-Steuer und Agrardiesel Ausdruck für eine tiefliegende Frustration, deren Ursachen letztlich in einer seit Jahrzehnten verfehlten Agrarpolitik zu suchen seien – auf nationaler wie internationaler Ebene. Hinzu gekommen sei eine immer stärkere Markt- und Machtkonzentration des Lebensmittelhandels sowie ein gewandeltes, weil von den Erzeugern zunehmend entkoppeltes Verbraucher*innenverhalten. So könnte laut Schmitz der durch die Streichung der Agrardiesel-Subventionen drohende Einkommensverlust  eines Milchbetriebs durch einen Aufpreis von 2 Cent pro Liter Milch ausgeglichen werden – wenn Handel und Verbraucher*innen dazu bereit wären. Hierin sei letztlich auch die Antwort auf die Frage zu suchen, warum die Landwirtschaft wie kein anderer Wirtschaftszweig durch Subventionen unterstützt werden muss: Wenn die Menschen, die von den Erzeugnissen der Landwirtschaft lebensnotwendig abhängig sind, die Preise für diese Erzeugung nicht mehr zu zahlen bereit sind, so muss der Staat – mit Steuermitteln – dafür sorgen, dass Lebensmittel trotzdem erzeugt werden. So habe sich zum Beispiel der Milchpreis, den ein Milchhof erhält, seit 2008 nicht mehr erhöht, die Tierhaltungskosten aber hätten sich in der gleichen Zeit verdoppelt.  „Auch ich würde lieber ohne Subventionen meinen Betrieb führen, wenn ich auch ohne diese mein Auskommen hätte“, so Bernd Schmitz. Neben dem Preisverfall und einer immer erdrückenderen Bürokratie bezeichnete Schmitz die Spekulation mit Ackerland als ein immer bedrohlicheres Problem für die Landwirtschaft. Äcker, die von Investoren aufgekauft und damit zu Spekulationsobjekten werden, verteuern sich dermaßen, dass Pachten unbezahlbar werden. Hier kann das Genossenschaftsprinzip einen Ausweg weisen, indem Privatpersonen durch den Erwerb von Ackerland dieses dem Spekulationsmarkt entziehen. Nicht nur hier wurde an diesem Abend gefragt, welche Möglichkeiten der und die Einzelne hat, die beschriebenen Prozesse zu durchkreuzen. Wie bei vielen anderen strukturellen Problemen auch, weist die Antwort im Bereich Landwirtschaft in zwei Richtungen. Immer wieder sollte man sich im eigenen Konsumverhalten die Marktmechanismen vor Augen führen und, wo immer möglich, bewusst gegen den Strom schwimmen. Und als Wählerinnen und Wähler sollten wir so oft wie möglich auf politische Entscheidungsträger*innen zugehen und sie zu einem neuen Denken und Handeln auffordern.

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