Wallis 07 10

Wine and Dine: Die Kellerei Chanton führt durch eine alpine Weinreise

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„Trink, wie eine Schnecke läuft - nicht so, wie ein Ferkel säuft.“ Diese Weisheit gab der Winzer Josef-Marie Chanton den Mitgliedern und Freunden des Slow Food Conviviums Nürnberg schon zu Beginn des Abends mit auf den Weg. Und auch wenn man sich diese Worte beim Öffnen einer schönen Flasche Wein stets zu Herzen nehmen sollte, so waren sie an diesem Abend aus drei Gründen ganz besonders angemessen:

Zum Ersten war es der Samstagabend des 9. Juli 2010 - jenes bemerkenswert heißen Wochenendes, an dem die Klimaanlagen der ICEs auf Grund Versagens Schlagzeilen schrieben. Auch in Fürth waren Schweißperlen die Zierde eines jeden Gesichts und die Serviette zu Tisch - ordentlich über dem Schoß ausgebreitet - wärmte zusätzlich wie eine schwere Wolldecke. Jede und jeder, der unter solchen Bedingungen den Wein zu schnell getrunken hätte, wäre bald unter dem Tisch liegend gefunden worden.

Zum Zweiten hatte das Ehepaar Chanton einige sehr rare Weine aus ihrer Kellerei im Wallis mitgebracht. Von einigen davon werden im Jahr nicht einmal 500 Flaschen abgefüllt. Wer diesen Schatz nicht durch einen aufmerksamen und bedächtigen Genuss zu würdigen gewusst hätte, der wäre unter dem Tisch liegend ohnehin besser aufgehoben gewesen...

Und zum Dritten war es absolut lohnenswert, dass der Kopf so klar wie möglich blieb, um den Informationen und Anekdoten zu lauschen, die Marlis Chanton zu jedem Wein auf wunderbare Art vorzutragen wusste.


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In den 1960er Jahren begann Josef-Marie Chanton, kurz Chosy, sich für die alten einheimischen Rebsorten des Schweizer Kantons Wallis zu interessieren. Die meisten von ihnen waren aus den Weinbergen nahezu verschwunden. Denn im Wallis wurden und werden vor allem Gutedel, Müller-Thurgau, Pinot Noir und Gamay angebaut. Häufig kennt man aus der Schweiz, so sie denn überhaupt mit Wein in Verbindung gebracht wird, die „typischen“ Walliser Weine Fendant (so der Lokalname des Gutedels) und Dôle, ein Rotweincuvée, das in der Regel vor allem Pinot Noir und Gamay enthält.

Aus Begeisterung für die einmalige und kaum noch wahrnehmbare Rebsortenvielfalt des Wallis begann Chosy, alte Sorten wie Himbertscha, Lafnetscha, Eyholzer Rote oder Gwäss anzubauen, für die sich sonst niemand interessierte. Doch Chosy gelang es, auch aus diesen eigenwilligen Trauben interessante und charaktervolle Weine zu machen. Mittlerweile werden von der Kellerei Chanton 11 Raritäten-/Spezialitätensorten angebaut. Drei davon weltweit nur von Chanton.

Seit 2004 ist Sohn Mario für das Geschehen im Keller verantwortlich. Auch er setzt auf höchste Qualität und bleibt den alten Traubensorten treu. Daneben widmet er sich den Rotweinen (vor allem Pinot Noir) und vinifiziert ausgezeichnete Süßweine. Seine Mutter Marlis prägt das äußere Erscheinungsbild der Firma. Sie setzte die Idee, den Charakter des Weins auf die Etiketten zu übertragen, mit Walliser Künstlern um.

Chosys anscheinend anachronistische Leidenschaft für alte und einheimische Trauben weckte schnell das Interesse von Journalisten und Weinliebhabern. So schaute auch das Ehepaar Tremel, das gerade auf dem Weg zum Salone del Gusto war, vor zwei Jahren in der Kellerei in Visp vorbei - und schnell war klar: Diese Weine müssen wir den anderen Schnecken in Nürnberg vorstellen.

An dem sehr sommerlichen Abend des 9. Juli 2010 war es dann soweit. Marlis und Chosy Chanton präsentierten sieben ihrer Weine im Restaurant Neubauers Schwarzes Kreuz in Fürth. Küchenchef Marco Neubauer bereitete passend ein delikates 5-Gänge Menü. Zu erwähnen ist auch das wunderbare Serviceteam, das sich von der Hitze nicht die Laune vermiesen ließ.

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So begann der Abend mit einer kleinen Einführung von Chosy Chanton, der uns das „Weinland Schweiz“ (ca. 15000 ha) und das Wallis als größte Weinbauregion der Schweiz (ca. 5100 ha) vorstellte. Umschlossen von den Berner und den Walliser Alpen, in denen viele Gipfel über 4000m thronen, herrscht dort ein besonders warmes und sehr sonniges Klima, ideal für den Weinbau. Der Föhn bläst an rund 33 Tagen im Jahr und bringt zusätzlich Wärme und Trockenheit, was im Herbst der Fäule der Trauben entgegenwirkt. Die extrem unterschiedlichen Böden des Wallis begünstigen einen vielfältigen Weinbau: Neben den oben erwähnten Hauptsorten, die knapp 70% der Rebfläche ausmachen, werden ca. 45 weitere Rebsorten im Wallis angebaut.

Die Weine wurden vor jedem Gang sehr lebendig von Marlis Chanton vorgestellt, die sich mit einem roten Fächer gegen die Hitze zur Wehr setzte.

Grundsätzlich sind alle Weine der Kellerei Chanton auf der eigenen Hefe spontan vergoren. Ein genaues und einfühlsames Winzerhandwerk begleitet die Weine, die sowenig „Eingriffe“ wie möglich erfahren. Die Spezialitäten sind trocken und sortenrein ausgebaut.

Wir durften folgende Weine genießen:

Gwäss- serviert zum Apéro

Diese Rebsorte kennen Sie nicht? Aber sicherlich einige ihrer „Kinder“. Den Chardonnay, Furmint, Aligoté, Auxerrois, Gamay, Rheinriesling und viele mehr. Heute sind über 70 Rebsorten bekannt, die vom „Gwäss“ abstammen. Im Mittelalter war er über ganz Europa verbreitet. Doch ergibt er selber einen leichten und säurebetonten Wein mit geringem Alkoholgehalt. Marlis weiß zu berichten, dass er oft an den Rändern der Rebparzellen gepflanzt wurde, um damit Vorbeigehenden die Lust am Naschen zu verderben. Chantons verstehen es, durch strenge Ertragsregulierung aus dem Gwäss einen zauberhaften Apérowein mit eleganten Fruchtnoten und erfrischender Säure zu vinifizieren.

Die Liste der Synonyme des Gwäss ist lang. In Deutschland nennt man ihn Heunisch, in Frankreich Gouais blanc oder Preveiral und Blancio in Italien. Er wird nur noch von sehr wenigen Winzern auf kleinen Flächen angebaut.

 

Himbertscha – serviert zu Tatar und Kaviar vom Bachsaibling

Die jüngste Geschichte des Himbertscha ist eng mit der Kellerei Chanton verbunden. Noch Ende der 1960er Jahre war Chosy Chanton diese Rebsorte bekannt. Als er schließlich in den 70ern eine Fläche gefunden hatte, die für ihren Anbau geeignet gewesen wäre, waren keine Himbertscha-Stöcke mehr aufzufinden. Zwei Jahre lang dauerte die Suche Chantons, bis schließlich ein älterer Herr auf sie zukam und sie zu seinem abgelegenen Rebberg im Vispertal führte, wo tatsächlich noch einige Reben Himbertscha wuchsen.

Die sehr fruchtbare Sorte muss im Ertrag reguliert werden. Der kuriose Name zeugt nicht von Himbeeren sondern wahrscheinlich von der Erziehungsmethode in der Pergola. Im Lateinischen: „im–bercla“. Woraus im Walliser Deutsch „Imbertscha“ entstanden sein könnte. Weltweit wird der Himbertscha nur von der Kellerei Chanton kultiviert und ausgebaut.

Lafnetscha – serviert zu Kartoffel -Ziegenkäse-Terrine mit Kresse und Pesto

Die einzige Rebsorte, die nach heutigem Kenntnisstand im Wallis aus einer natürlichen Kreuzung aus Humagne blanc und Completer entstanden ist.

Sie wird nur auf kleinen Flächen im Oberwallis angebaut. So ist auch ihr Name der Walliser Mundart abzuleiten. Der Säuregehalt des Weins sollte mit der Lagerung abgebaut werden. Der Ausdruck “Laff-nit-scha“ weist darauf hin, den Wein nicht zu früh zu „laffen“, was trinken bedeutet.

Der heutige Lafnetscha von Chantons besitzt intensive Frucht- und Honignoten, die durch die angenehme Säure gestützt werden.

Heida – serviert zu gebratener Entenleber auf Selleriepüree mit Sauce von Schwarzen Nüssen

Heida ist der regionale Name der Rebsorte Savagnin Blanc (das ist schon so richtig geschrieben!), die auch im französischen Jura zu finden ist. Bei uns ist er als Traminer bekannt (nicht zu verwechseln mit dem Gewürztraminer!).

Den Heida verbindet mit dem Oberwallis eine lange Geschichte. Seine erste Erwähnung findet sich dort 1586. Der Name Heida weist ebenso auf eine lange Anbautradition hin: Der Begriff „Heida“ bedeutet alt, ehemalig. Die älteste Suone (eine historische Bewässerungsleitung) von Visperterminen trägt den Namen „Heido“.

Visperterminen ist das Dorf oberhalb eines der höchsten Weinberge Europas, auf dem der Heida im Oberwallis schon sehr lange angebaut wird. Auch bekannt als „Rieben“, klettern die Reben dort in eine Höhe von über 1100m.

Der Heida ist in Chosy Chantons Augen der größte Wein, der im Oberwallis produziert wird und der Paradewein der Kellerei. Tatsächlich wird er mittlerweile auch im Unterwallis kultiviert, wo er Païen genannt wird. Die Rebfläche wächst jedes Jahr, da aus dem Heida internationale Spitzenweine vinfiziert werden können.

Humagne rougeserviert zu gefülltem Walliser Kalbsschnitzel auf einem Schwammerlrisotto

Nur sehr wenige Parzellen des Humagne rouge haben die Turbulenzen der letzten hundert Jahre, wie die Reblauskrise, überdauert. Auch im Aostatal, wo er seinen Ursprung hat und als Cornalin bekannt ist, waren bis vor einigen Jahren nur noch wenige Stöcke zu finden. Doch der oft als wild und ungestüm bezeichnete Wein findet mehr und mehr Freunde unter Winzern und Weinliebhabern.

Pinot „Mario“

Ein kräftiger und vollmundiger Pinot Noir, der ebenso wie der Humagne rouge zum gefülltem Walliser Kalbsschnitzel auf einem Schwammerlrisotto serviert wurde. Die Gäste konnten die verschieden Aromen zusammen mit dem Essen auf sich wirken lassen.

Heida BAserviert zu Safran Crème Brûlee mit Haselnusseis

Chantons beschreiben diese Spätlese mit den Worten: „Rund. Voll. Kräftig. Erregend. Spätlese mit Jahrhundertcharakter. Prädestiniert zur sehr langen Lagerung. Perfekte Harmonie von Säure und Restsüße. Eine Essenz aus der Welt der Aromen. Königliche Vollendung eines Gourmetabends.“ Dem kann nichts hinzugefügt werden. (Im „Kleinen Johnson 2010“ ist Marios Heida Spätlese zu einem der 10 besten Weine der Schweiz gekürt worden.)

Und so glänzten zum Ende des Abends die Augen der über 30 Gäste mehr vor Freude als durch zu viel Wein - und vor allem heller als die Schweißperlen auf der Stirn. Nochmals danke an Marlis und Chosy Chanton, die so authentisch und lebendig diese alpine Schatztruhe für das Convivium Nürnberg geöffnet haben.

Wer die Weine der Kellerei Chanton weiter entdecken und genießen möchte, reist per Zug, Auto oder in Wanderschuhen ins Wallis nach Visp in die Kantonsstraße 70. Oder durchs Internet zu www.schweizweit.de. Das Hamburger Feinkostgeschäft und Restaurant vertreibt die Chantonweine in Deutschland.

Wir sind uns schon heute sicher, dass wir mit den Chantons in Verbindung bleiben und Sie voraussichtlich im schönen Wallis mal besuchen werden. Es ist auch angedacht mit dem Walliser Convivium eine Partnerschaft einzugehen.

Text: Ramona Holzer u. G. Tremel

Bild 1: Monika Tremel, Bilder 2 und 3: Ramona Holzer

P.S.: Einen weiteren Artikel über die Veranstaltung finden Sie hier

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