Das "Heinzlein": Bierkultur aus einem wiederbelebtem Brauverfahren

Slow-Food-Unterstützer und Arche-Produzent Hellerbräu in Bamberg hat im Mai jetzt ein Bier aus einem lange vergessenen und historischen Brauverfahren vorgestellt und wieder belebt. Ein Bier, mit einer ansprechend hopfigen Frische, das viel Geschmack, aber wenig Alkohol hat (nur 0,9% vol.). "Heinzlein" nennt sich dieser auferstandene Gerstensaft. Lange war diese fast bleifreie Bierkultur Alltagsbegleiter, zum Beispiel bei der oft schweißtreibenden Feldarbeit der Bamberger Gärtner. Verschiedene Quellen berichten davon. Dazu haben wir ein Interview mit dem Wieder-Entdecker, dem Bierhistoriker und Hellerbräu-Inhaber Matthias Trum geführt.

HeinzleinAndreas Schneider:  Herr Trum, es gibt derzeit einiges Neues in Bamberg in Sachen Bier. Ich meine nicht die neuen Brau- und Schankstellen, die in den letzten Monaten in Bamberg aufgemacht haben (wie Landwinkl- oder das Sternla-Bräu). Es gibt eine weitere Entwicklung: Ihr habt in Eurer Brauerei selbst eine neue Sorte aufgelegt, die eigentlich was Althergebrachtes ist?
              
Matthias Trum: Ja! Ich bin unter anderem über Sudprotokolle meines Ur-Ur-Ur-Großvaters auf ein vergessenes Bamberger Brauverfahren gestoßen. Bis Ende des 19. Jahrhunderts stellten die Bamberger Brauer nach diesem Verfahren ein alkoholarmes Bier für die körperlich schwer arbeitende Bevölkerung und sogar für Kinder her (letzteres ist heute natürlich nicht mehr zulässig). Dieses Getränk war damals die sichere Alternative zum oft keimbelasteten Wasser. Es gibt Quellen, die darauf hindeuten, daß bis zu einem Drittel der damaligen Produktionsmenge der Bamberger Brauereien nach diesem Verfahren hergestellt wurde. Wir haben in längeren Versuchen dieses alte Brauverfahren wieder aufleben lassen. Seit Mitte letzten Jahres gibt es das Schlenkerla Rauchbier Hansla alkoholarm (seit heuer auch in Flaschen zum Mitnehmen), und jetzt ganz neu und ohne Rauch das Heinzlein alkoholarm, als dunkles und helles alkoholarmes Bier mit nur 0,9% alk./vol. und nur 10 kcal je 100ml.
              
AS: Wann hatten Sie das Rezept dafür entdeckt? Gibt es andere Quellen als euer Sudprotokoll, die von dieser alten Sorte berichten?
              
Matthias Trum: Ich bin vor ca. fünf Jahren das erste mal drüber gestolpert. Das alkoholarme Bier wird in mehreren alten Schriften zum Bamberger Bier erwähnt, unter anderem dem Buch von Johann Albert Seifert "Das Bamberger Bier" von 1818. Und es findet sich sogar in Enzyklopädien der Zeit, muß also mithin über die Grenzen Bambergs hinaus einen gewissen Bekanntheitsgrad gehabt haben. Details zum angewendeten Brauverfahren war etwas schwerer zu finden, aber auch hier finden sich in Publikationen aus dem 19. Jahrhundert wertvolle Hinweise.
              
 AS:  Findet sich da auch Bezeichnung bzw. Name des Biers?
              
Matthias Trum: Ja, der Begriff findet sich so in alten Unterlagen bis Mitte des 19. Jahrhunderts, in unterschiedlichen Schreibweisen, und meist im Kontext um Bamberg. Alkoholarme Biere gab es aber natürlich überall, in den Klöstern nannte man diese zum Beispiel Covent/Kovent. Ich denke, da steckt der "kleine Heinz" drin, weil es eben auch ein Kinderbier war.
              
AS: Und wie ist das Brauverfahren? Das ist ja doch etwas Besonderes, da es ja kein alkoholfreies Bier ist, dem der Alkohol z.B. nach dem Brauvorgang entzogen wird. Was ist da anders, und wie entsteht dieses besondere Bier?
              
Matthias Trum:   Bei modernen alkoholfreien Bieren wird entweder die Gärung durch Pasteurisation gestoppt oder der Alkohol wird extrahiert. Nur letzteres Verfahren erzeugt wirklich alkoholfreie Biere; auf den Etiketten steht dann meist prominent die 0,0% (wegen des hohen Aufwandes findet man dies de facto nur bei Großbrauereien). Bei ersterem hat das Bier (knapp) unter 0,5% und man kennt dies von vielen Weizenbieren. Gemein ist beiden ein häufig etwas süßlicher Geschmack und etwas fehlender Biercharakter. Historisch gesehen waren beide Technologien nicht verfügbar, daher mußten sich die Brauer damals etwas anderes einfallen lassen. Ich möchte nicht alle Details verraten, aber eine besondere Art und Weise des Maischens und des Läuterns ermöglichte es den Bamberger Brauern ein Bier mit weniger als 1% Alkohol herzustellen. Und das mit echtem Biergeschmack. Übrigens: Die Grenze, was als alkoholfrei gilt, ist ein Stück weit willkürlich gesetzt. Beim Bier liegt diese bei 0,5% ; bei Traubensaft dagegen bei 1%. Wäre das Heinzlein ein Traubensaft, dürfte es als alkoholfrei bezeichnet werden.
              
AS: Eine letzte Frage noch zu den Zutaten. Mir ist besonders die ansprechend frische Hopfennote aufgefalllen. Was verwendet ihr?
              
Matthias Trum: Das intensive Hopfenaroma war auch schon im 19. Jahrhundert ein wesentliches Merkmal des Heinzlein. Nicht nur für den Geschmack, sondern auch für die Haltbarkeit des Bieres war das von Vorteil. Wir verwenden Aromahopfen aus Spalt bei Nürnberg. Das nichtrauchige Malz fürs Heinzlein bekommen wir von der Bamberger Mälzerei.
              
AS: Herr Trum, wir danken für das Gespräch und wünschen uns allen einen süffigen Sommer!

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