Baguette (06/08)

Doppelt gebacken...

Blick auf die Arche
wird manchmal das Brot und doppelt gebacken wurde diesmal unsere Thematik.
Gleich zweimal hatten wir nämlich das außerordentliche Vergnügen, den gleichsam interessanten wie amüsanten Ausführungen von Bäckermeister Arnd Erbel aus Dachsbach zu lauschen.
 
Während wir am 3.Juni in unserer Tafelrunde eher theoretisch der Frage nachgingen: „Warum schmeckt das Brot?“, so durften wir gleich vier Tage später in der Bäckerei unseres Referenten praktische Umsetzungen erleben und geniessen.
 
Als Herr Erbel zu unserer Tafelrunde im „t9“ mit einem großen Korb herrlich duftender Brotlaibe hereinspazierte, war das Eis (oder soll ich sagen das Brot?) sofort gebrochen und die Vorfreude auf den Abend bereits sensorisch eingepeilt. Eigentlich sollte das Backwerk als Anschauungsmaterial dienen, doch Herrn Erbel wurde dieses am Ende des Vortrags förmlich aus den Händen gerissen (schließlich wollten wir ja alle zu Hause den Abend noch ein wenig nacharbeiten...). Das Bild einer Entenfütterung kam mir auf Grund der beobachteten Gruppendynamik kurzfristig in den Sinn (es sei verraten, auch ich war eine dieser Enten!).
 
Aus der Fülle der Informationen nun aber einen kleinen Artikel zu schreiben, erscheint mir fast unmöglich und so müssen heute Stichworte genügen:
 
Herr Erbel wird von Kollegen als einer der besten Bäcker Deutschlands bezeichnet. Aber warum? Entsprechen doch seine Brote oftmals nicht dem Prüfungsschema der DLG und würden dort glatt durchfallen. Sein Brot schmeckt nämlich nicht jeden Tag gleich (sehr verdächtig!), es hat keine genormte Form (noch verdächtiger!), manchmal bleibt es beim Durchschneiden sogar am Messer kleben (äußerst suspekt!!). Außerdem verwendet er keine Hilfsmittel, Backzusätze oder vielkörnige Getreidemischungen (skandalös!).
 
Ja was macht er denn dann? Nun, er steht früh auf, versucht sein Bestes zu geben und legt sich abends wieder hin (O-Ton Erbel). Außerdem erfuhren wir, dass gutes Brot immer eine Frage der Region und Tradition sei (6 - oder noch mehr - Korn Brot ist keine Tradition sondern Mode – ein echtes Sauerteigbrot aus einer Mehlsorte dagegen hat Tradition – aber wiederum nicht überall; im Badischen oder in Frankreich werden z.B. eher helle Hefebrote gebacken, woanders vielleicht Vollkorn-Kastenbrote).
 
In diesem Zusammenhang: „Die Hefe ist das Haustier des gemeinen Bäckers“ und „Brot backen ist nicht schwer, aber Bäcker sein dagegen sehr“. Ein guter Bäcker darf sein Produkt nämlich niemals vernachlässigen und muss es pflegen und hegen (notfalls wird der Eimer Sauerteig mit ins Kino genommen und dort sorgsam weitergerührt...) - Sauerteig und Teigführung sind wiederum ein sehr komplexes Thema und müssen ein andermal erörtert werden.
 
In den 70er Jahren kam es zu einem Stillstand im Bäckereiwesen und es entwickelte sich die Tendenz zur Systembäckerei. Dort schmeckt das Brot dann jeden Tag gleich (langweilig) und hat stets identische Form und Norm.
 
Brot lagert man möglichst nicht in offenporigen Gefäßen (Holzkasten, Ton), da sich dort leichter Schimmel festsetzen kann bzw. diese Gefäße schwerer zu reinigen sind. Besser ist glasierte Ware, Emaille oder auch eine einfache, dünne Plastiktüte wie man sie oft beim Gemüsehändler erhält (die aber mit jedem neuen Brot ebenfalls erneuert werden sollte!).
 
Herr Erbel bezieht sein Getreide direkt aus der Region von umliegenden (Bio-)Bauern und lässt es speziell für sich mahlen, er verwendet auch alte Sorten (Emmer, Einkorn) aber Dinkel ist sein Lieblingsgetreide (ein Großteil seiner Brote besteht daraus). Von Mehrkornmischungen hält er eher wenig.
Das Baguette in Stangenform ist eine neuere Form; früher war dieses traditionelle Brot vorwiegend rund (eine Variante hieß übersetzt: „Der Hintern“)
 
Ach, es gäbe noch so viel zu berichten...
 
Das Stichwort Baguette bildet nun die Überleitung zu unserer Veranstaltung bei Herrn Erbel vor Ort – und erstmals seit ich Nachbetrachtungen schreibe, weiß ich nicht, was ich schreiben soll. Aber nicht, weil es nichts zu schreiben gibt – ganz im Gegenteil.
Feierliche Eröffnung
Aber wie soll ich diese sinnlichen Erfahrungen in Worte formen? Diesen Duft frischen Teiges, die Wärme des Ofens und das Knacken von heißer, verführerischer Brotkruste. Soll ich von dem köstlichen Butterkuchen erzählen, den wir anfangs frisch vom Blech naschten und dazwischen ein paar der sündhaft guten Erdbeeren der Sorte „Mieze Schindler“, die in unseren Leckermäulern verschwanden.
 
Ich könnte auch vom Formen der Baguettestangen mit flinken Fingern berichten (und den weniger flinken Fingern von uns) oder von einem samtig glänzenden, geschmeidigen Teig, der fast lasziv auf dem Tisch lag und dessen haptische Wahrnehmung beinahe schon als erotisch zu bezeichnen war (wie sagte Marga Linhard neben mir: „Der Teig muss sich anfühlen wie junge Frauenbrüste“).
 
Und da war dann noch die bedächtig und fast schon meditativ vor sich hinknetende Knetmaschine, die in dieser Art gar nicht mehr gebaut wird. Oder wer hat sie nicht mehr vor Augen, die in Linnen gebetteten Baguettstangen, die sich noch kurz erholen durften, bevor sie mit geschickten Handgriffen im Ofen verschwanden (eingeschossen wurden), um zwanzig Minuten später als gebackenes Suchtmittel wieder aufzutauchen.
 
Wissen Sie was: Heute kapituliere ich vor dieser Schreibaufgabe. Warum soll ich Worte bemühen, wenn Augenblicke doch so schön sind !
 
Ein ganz herzliches Dankeschön an Herrn Erbel, der uns unglaublich engagiert eine Fülle an Informationen vermittelte und mit seiner herzerfrischendem Art sehr oft zum Lachen brachte. Mit ihm haben wir einen Bäcker, der seinen Beruf wahrlich lebt und liebt und der mit seiner Philosophie und seinen Produkten den Slow Food Gedanken perfekt umsetzt. (Seufz: Gäbe es doch seine Bäckerei nur auch in Nürnberg, denn alles schmeckt so brotal gut).
 
peter schubert
 
Zwei Buchtipps von Herrn Erbel möchte ich noch weitergeben, dann können Sie dort vielleicht manches nachlesen, was wir gelernt haben.
 
Korn, Kulturgeschichte des Getreides - Autor/in: Hansjörg Küster et al.
Verlag: Anton Pustet, ISBN 3-7025-0404-4
 
Brot. Eine Kulturgeschichte für Leib und Seele – Autorin Susan Seligson,
Claassen Verlag , ISBN-10: 3546003438
Anmerkung A. Erbel: „Die 1. Hälfte des Buches ist besser als die 2. Hälfte“

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