Besuch auf dem Ulmenhof

Milch und Lab

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Was hat unser Käse eigentlich schon gegessen?
(Slow Foodies besuchten am 1.April die Eifeler Bauernkäserei „Ulmenhof“, um zu erkunden, woher der Käse auf dem Ökomarkt neben dem Münster in Bonn eigentlich stammt, wie er entsteht und was ihn ausmacht.) 
06:00 … die Milch kommt in den Käsekessel, dann folgt das Lab, also ein Enzymgemisch, das aus den Mägen von Kälbern gewonnen wird. Jetzt wird die Milch dick, die Enzyme reagieren mit dem Eiweiß der Milch. Als Nächstes wird der Käsebruch bearbeitet, also die geronnene Milch mit einer Käseharfe zerteilt – je stärker die Masse geschnitten wird, desto mehr Molke tritt aus. Das wird den Käse später härter machen und die Käsegruppe bestimmen: Je nachdem wie viel Flüssigkeit der Bruch verliert, entsteht also ein Weich-, Schnitt- oder Hartkäse. Jetzt ist es etwa 10:00 und die Laibe werden zur Ruhe gebettet.   
Am nächsten Morgen … Die Laibe erhalten ein Salzbad, das sie je nach Sorte 1-24h genießen dürfen.
 

Max. 48h nach dem Käsekessel … Ein Käse ist entstanden. Alles Weitere sind Rindenpflege und Reifung. … naja gut, in der Lebensmittelindustrie kommen dann natürlich noch Zusatzstoffe dazu, die laut Deutscher Käseverordnung erlaubt sind: Farbstoffe wie Carotin oder Annato (E160a/b), Konservierungsstoffe wie Lysozym (E1105) oder Natriumnitrat (E251), Aromen, Geschmacksverstärker und ggf. Ersatzstoffe wie pflanzliche Fette, Milcheiweiß und Milchpulver, die die Produktionskosten verringern  – Schauen Sie mal auf die Zutatenliste, insbesondere bei Fertiggerichten wie Pizzen oder Gratins. Sie werden feststellen, dass viele Käse bereits einiges gegessen haben, bevor sie in unsere Mägen gelangen. 

Doch was macht guten Käse eigentlich aus? „Gute Milch und gutes Lab“, sagen die Familien Frangen und Kneißl, die den „Ulmenhof“ betreiben! Das wichtigste ist aber der Rohstoff Milch. „Ohne qualitativ gute Milch, kann meine Schwiegermutter vorne in der Sennerei keinen guten Käse machen!“ betont Michael Kneißl, der auf dem Hof insbesondere die Kühe und Ziegen versorgt und dadurch erstklassige (Roh)Milch liefert. 
 
Erstklassige Milch?
Milch entsteht aus Blut! Um einen Liter Milch zu produzieren, fließen ca. 400 Liter Blut durch den Euter einer Kuh, wo die Milch gebildet wird. Aus dem Blut werden dabei Amino- und Fettsäuren, Milchzucker, Kalzium und andere Mineralstoffe sowie viele Vitamine gefiltert. Hochleistungskühe in der konventionellen Landwirtschaft bringen es auf 50 bis zu 100 Liter Milch pro Tag. Das Herz muss also bis zu 40.000 Liter Blut durch den Euter pumpen. Eine beachtliche Leistung – zumal Milchkühe quasi ihr ganzes Leben damit verbringen. Wie bringt eine Kuh diese Leistung? Durch viel Kraftfutter und Doping, sprich Hormone und leistungssteigernde Medikamente. Zum Vergleich: Der Bioland-Betrieb „Ulmenhof“ verzichtet bewusst auf die Hochleistung seiner Kühe und Ziegen. Die Milchleistung einer Kuh liegt hier auf`s Jahr gerechnet bei max. 20 Liter/Tag. Die Kühe und Ziegen haben gut 60 Hektar zum Grasen zur Verfügung. Das entspricht knapp 86 Fußballfeldern oder -wem das auch immer nix sagt- etwa dem 25fachen der Bonner Südstadt. Nicht zu viel, denn eine Kuh kann im Schnitt 100kg Gras oder 20kg Heu pro Tag fressen, was auf`s Jahr gerechnet etwa einem Hektar Grünfläche entspricht. Im Sommer gibt es auf dem Ulmenhof Gras und Heu, im Winter fressen die Tiere Silage aus hofeigener Produktion. Es werden lediglich 5% Kraftfutter zu gefüttert, das vom Ökobetrieb Reudink aus den Niederlanden stammt. Und das ist gut so, denn: Grasen erfordert -ermöglicht!- Wiederkäuen, was mehrere Stunden pro Tag in Anspruch nimmt, sprich die Milchproduktion „langsamer“ macht. Beim Widerkäuen wirken viele Mikroorganismen bei der Verdauung des Futters mit. Einerseits übersäuert dies die Kühe nicht, andererseits macht es die Milch gehaltvoller. Es werden hochwertigere Eiweiße und gesündere Fettsäuren hergestellt. „Das sind zwei wichtige Messkriterien für gute Milch“ sagt Stefan Frangen, der den Hof seit 1987 mit seiner Familie führt „Kraftfutter per se ist nichts Schlechtes, sofern es in Maßen eingesetzt wird und die Tiere vor allem Gras und Heu widerkäuen können.“ meint Stefan Frangen. Aber wo kommt es her? Was ist es genau? Isst meine Kuh, esse später ich, billiges Fischmehl oder hochenergetische Getreide_Pallets aus einem Öko-Futterbetrieb?
 
Neben dem Futter beeinflussen die Rasse und Haltungsbedingungen die Qualität des Eiweißes und der Fettsäuren in der Milch des späteren Käses. Der Ulmenhof hält Angler Rotvieh, Algäuer Braunvieh und Vorderwälder Vieh. 30 schöne und gesund aussehende Kühe, die wir Slow Foodies anfassen und beim Fressen, Schuppern und Wiederkäuen beobachten konnten. Bei den Ziegen sind es Weiße und Bunte Edelziegen, die Thüringer Waldziege sowie die Poitevine Milchziege – insgesamt 80 an der Zahl. Nein, wir haben nicht exakt gezählt…! Jede Rasse produziert andere Milch-Werte, die den Geschmack und die Verarbeitungsqualität verändern. Die Tiere des Ulmenhofes stehen im Winter im Außenklima-Stall mit Boxen. Dort kann eine Kuh auch rückwärts einparken, wenn sie möchte und sogar die Box nach ihrem Geschmack wählen. Sie ist nicht angeleint wie andere Artgenossen konventioneller Produktion und kann sich frei bewegen. Ja, das haben wir gesehen! Betten kann sie sich auf Streu anstelle von Gummimatten. Im Sommer garantiert der Hof ganztägig Freilauf auf der Wiese. Zunächst überrascht hat uns bei der Besichtigung die überwiegende Enthornung der Tiere, die nach Bioland-Kriterien zulässig ist, Tierschützer jedoch abschaffen wollen. Schmerzvermeidung ist Stressvermeidung, was wiederum den Nährstoffgehalt der Milch beeinflusst. „Es ist immer eine Abwägung, wie viele Strapazen durch Enthornung unter Betäubung oder spätere Verletzungen entstehen.“, meint Stefan Frangen. Trotz Auslauf wäre der Abstand für die Tiere immer noch zu gering, um sich der Rangordnung entsprechend bewegen zu können. „Im Zweifel würde die ranghöchste Kuh den ganzen Tag vorm Futtertrog stehen und schwächere Tiere verletzen, wenn sie sich nähern.“ Stefan Frangen hält den Stress für die Tiere nach der Enthornung für geringer und tauscht sich gerne mit Kollegen vom Fach darüber aus. Medikamente bekommen die Tiere des Bioland-Betriebes nicht prophylaktisch, sondern nur im Krankheitsfall. Nach der Behandlung wird die Milch der betroffenen Tiere doppelt so lange als in konventionellen Betrieben nicht mehr weiterverarbeitet, um Rückstände in der Milch auszuschließen bzw. zu reduzieren. 
Futter plus Rasse plus Haltungsbedingungen modifizieren also den Eiweiß-, Fett sowie Vitamin- und Mineralstoffgehalt in der Milch - den wesentlichen Rohstoff für schmackhaften Käse. Und dass der Ulmenhof-Käse auch schmeckt, hat uns die Käseprobe von  Anna-Maria Kneißl und ihrem Sohn Lars nach der Hofbesichtigung gezeigt. Hmmmm….lecker! 
Neugierig?
Der Käse ist im Hofladen in Sarmersbach oder wie folgt erhältlich – meistens sogar persönlich bei der Sennerin Ute Frangen: 
  • Bonn, Martinsplatz:  Mi 08:00-14:00 und Sa 08:00-15:00 
  • Bad Godesberg, Moltkeplatz: Fr 08:00-13:00 
  • Wittlich, Marktplatz: Fr 08:00-14:00 
Kritisch? Der Ulmenhof freut sich auf interessierte Besuchergruppen. 
Slow Food wünscht guten Appetit.
(Jenny Schroth)

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