Essbare Stadt Andernach

Drei Convivien auf Tour in der „Essbaren Stadt“ Andernach

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25.07.2015

Ein paar Blättchen Basilikum, etwas Sauerampfer, Zitronenmelisse und vielleicht ein paar Johannisbeer-Rispen: Buchstäblich am Wegesrand können die Andernacher die Zutaten zu ihrem Salat pflücken. Und vielleicht stammt sogar der ganze Salatkopf aus dem Beet im Schlossgraben. „Essbare Stadt“ nennt sich die Aktion, mit der Andernach seit Jahren von sich reden macht und zahlreiche Auszeichnungen gewinnen konnte. Sie war das Ziel einer Exkursion der drei Slow Food Convivien Rhein-Mosel, Bonn und Köln Mitte Juli.
Pflücken erlaubt“ statt „Betreten verboten“ heißt es in Andernach. Ob Erdbeeren, Salat oder Zwiebeln: Die Stadtverwaltung lässt überall Gemüse, Obst und Kräuter anbauen – und jeder darf sich bedienen. So werden öffentlichen Parks und Grünanlagen zum Garten für die Bürger. Die öffentlichen Nutzpflanzen zeigen, wie man sich gesund ernährt und steigern die Wertschätzung für regionale Lebensmittel. Ob jäten oder ernten: Jeder darf mitmachen. Die Nutzpflanzen machen nicht nur die Jahreszeiten wieder bewusst erfahrbar, sondern auch die natürlichen Phasen von Säen, Wachsen und Ernten. Gemüsesorten wie Möhren und Bohnen, Obstsorten, Beerensorten, Spaliergehölze, Küchenkräuter oder Schnittpflanzen werden in den Grünanlagen gepflanzt. Jedes Jahr steht eine Nutzpflanze besonders im Fokus. So wurden 2010 an der Mauer im Schlossgarten 101 Tomatensorten gepflanzt, es folgten 100 Bohnensorten, auch Bohnen und Kohl waren schon die „Stars“, und in diesem Jahr sind es Kürbis und Melone. Ein kleiner Weinberg mit Rebsorten zum direkten Traubengenuss findet sich unmittelbar benachbart. Insbesondere fördert das Projekt den Anbau von regionalen und seltenen Sorten und stärkt damit die Identifikation mit der Heimat und unterstützt die urbane Biodiversität. Platz für Gemüse und Co. ist immer, so werden z.B. auch temporäre Baulücken zur Anpflanzung genutzt.
Aber es geht noch weiter: Die „Essbare Stadt“ ist nur Teil einer modularen und nachhaltigen Grünraumplanung. Mit der Umstellung von Wechselbeeten auf pflegeleichte Staudenbeete verbindet die Stadt ökologische und ökonomische Vorteile. Um insbesondere die jungen Einwohner der Stadt in das Projekt zu integrieren, wurde ein „fahrbarer Schulgarten“ entwickelt, der an Schulen und Kindergärten vorfährt.
Waren die Slowfoodies schon von diesem Projekt angetan, das sie bei einer Stadtführung erlebten, die ihnen auch Historisches vermittelte, so begeisterte sie anschließend die Permakultur im Andernacher Stadtteil Eich. Die „Lebenswelten“ bieten hier auf inzwischen17 ha öffentlicher Fläche Langzeitarbeitslosen eine Beschäftigungsmöglichkeit – und den Genießerinnen und Genießern guter, ökologisch produzierter Lebensmittel ein kleines Paradies. Unter Verzicht auf Herbizide und mineralische Dünger wachsen hier Obst und Gemüse aller Art. Dafür wird mit Zwischenfrüchten im Mischfruchtanbau und mit umfangreichen Mulchen gearbeitet. Dazwischen tummeln sich vier Angler Sattelschweine und ein paar Dutzend Hühner, auch „Coburger Fuchs“-Schafe blöken in der Nähe. Die Produkte stehen in der Innenstadt für einen sehr günstigen Preis zum Kauf, auch auf dem Permakultur-Gelände selbst ist ein kleiner Laden. Zurzeit entsteht ein Arboretum mit 150 Bäumen aus allen Erdteilen.
Mitten in der Permakultur hat auch der Slowfood-Garten seinen Platz gefunden. Finanziert von den drei genannten Convivien und von Slow Food Deutschland, wachsen hier regionale und alte Sorten, vor allem die Kesselheimer Zuckererbse, deren immer größer werdendes Anbaugebiet im Garten für die Verbreitung der Samen sorgt. In den Hochbeeten finden sich Maikönig-Salat und Grünkohl „Lerchenzungen“, Kohlrabi „Lanro und viele andere alte Sorten mehr.
Kein Wunder, dass da manch einer dachte: Schaffen wir das in unserer Stadt auch? Jedenfalls war es schön und spannend, und dem Convivium Rhein-Mosel sei herzlich für die Organisation gedankt.

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