#Einbruch bei Tisch

Die vier Damen haben viel gelernt in der Kochschule. Das gemeinsame Kochen war ihr endgültiger Sieg über diese blöde Coronazeit, und nun präsentieren sie ihr frisch erworbenes Können den eingeladenen Freundinnen und Freunden. 21 sind an die lange Tafel gekommen – die Theatergäste. Dazwischen verteilen sich die vier – Schauspielerinnen.

Heile-Welt-Gespräche entspinnen sich, das gemeinsame Genießen bei Tisch und individuelle Lebensumstände sind Thema, Corona als Zäsur. Gruß aus der Küche, Vorspeise, gute Laune, alles schön. Das Publikum ahnt schon, dass die eine oder andere nicht ganz unvoreingenom­men und entspannt am Tisch sitzt. Anmerkungen und Sticheleien werden ausgetauscht: Schokolade, Fleisch, Nahrungsergänzungsmittel, Fettröllchen, Gemüse, Alkohol. Ebenso schleichend mögen die Einbrüche in diese vier Leben vorgedrungen sein, wohlig eingeschlos­sen in genussvolle Konventionen. Immer tiefer und beeindruckender gewähren die Akteurinnen Einblicke in ihre Ess- und Trinkgewohnheiten, die eigentlich viel eher Bewälti­gungs­strategien sind.

Zwischen Hauptgang und Dessert servieren die Kochschülerinnen #Ausbruch: Raus mit allem Frust, vorbei mit Schweigen über Einsamkeit, her mit den Freiheiten.

Mir als Zuschauer fiel die Rolle des Beobachters schwer, so hervorragend eindringlich wurden die Rollen von den Sitznachbarinnen gespielt. Quasi nebenbei landeten alle Stichworte, die uns Slow Foodies in unseren Gesprächen über die Ernährungswelt immer wieder begegnen, in der Tischgesellschaft. Kein Wunder, wenn nach diesem Abend vielleicht ein paar neue Mitglieder zu Slow Food kommen.

Die Bürger:Bühne ist ein Projekt des Theater Lübeck, das diese Inszenierung „#Einbruch“ 2023 entwickelt hat. Eine großartige Gesamtleistung von Konzept, Ausstattung und Performance, die auch durch den partizipativen Ansatz sehr nah an „unsere“ Themen heranführt. Und die eindringlich zeigt, wie zentral das Geschehen auf und am Tisch für unser Leben ist.

Frank Buchholz, Slow Food Lübeck

 

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